Heilpädagogisches Wohnen Neu-Berich

"Haus Waldfrieden"

Oberhalb von Neu-Berich, zwischen der heutigen Ortslage und dem Waldgebiet Wetterholz, lag die fürstliche Domäne Büllinghausen. Für die Gründung des Ortes nach der Umsiedlung aus dem Edertal war dort die Landwirtschaft aufgegeben worden. Während unten das neue Dorf entstand, gab es in der ehemaligen Domäne eine wechselhafte Nutzung. So wurde in den Gebäuden zeitweise das Erholungsheim Waldfrieden eingerichtet. Auch der Berliner Verein Burkhardthäuser war dort aktiv: Er führte eine Schule für „lebensbegleitendes Lernen für Mädchen“. Junge Frauen wurden dort nach ihrem Schulbesuch in der Hauswirtschaft unterwiesen.

1928 ändert sich die Nutzung erneut. Im wenige Kilometer entfernt gelegenen Helsen war der Neubau des Bathildisheims – einer Betreuungseinrichtung für Menschen mit Behinderung - eingeweiht worden. 120 „Pfleglinge“ mit körperlicher oder geistiger Behinderung wohnten dort miteinander. Diese gemeinsame Unterbringung erschwerte die Arbeit der Betreuer. Deshalb beschloss die Mitgliederversammlung der Bathildisheims den Ankauf der ehemaligen Domäne Büllinghausen.

Im Februar 1928 zog dort die Diakonisse Luise Böttcher mit 30 geistig behinderten Menschen ein. Der Grundstein für das Haus Waldfrieden unter der Regie des Bathildis- heims war damit gelegt. 1930 übernahm Diakonisse Emilie Engelmann die Leitung des Hauses. Zu dieser Zeit war Waldfrieden bereits mit 50 Frauen und Männern belegt.
Haus Waldfrieden blieb vom Nationalsozialismus nicht verschont. Im Sommer 1940 brachte der Helser Bathildisheim-Leiter Pastor Karl Preising dort die 79-jährige jüdische Mitbürgerin Klara Schürmann „in Sicherheit“, wie Arolser Bürger aus ihrer Erinnerung erzählten. Am 25. September 1940 mussten fünf Jüdinnen aus dem Haus Waldfrieden in die Landesheil- und Pflegeanstalt Gießen überstellt werden. Von dort wurden sie am 1. Oktober des Jahres in eine „Sammelanstalt“ deportiert.

Nach dem Krieg wuchs Haus Waldfrieden wieder. Um- und Neubauten entstanden. So erweiterte das Rehabilitationszentrum Bathildisheim 1975 mit einem Kostenaufwand von über neun Millionen Mark den Gebäudekomplex in Neu-Berich. Dabei wurden die letzten Häuser des aus dem Jahr 1790 stammenden ehemaligen Gutshofes, in dem inzwischen 70 Menschen mit Behinderung untergebracht waren, abgerissen.

 

Heute gliedert sich die Arbeit dort in zwei Bereiche: in das Heilpädagogische Wohnen und in die Bathildisheimer Werkstätten. Dort finden etwa 120 Menschen mit körperlicher, geistiger, seelischer oder Mehrfach-Behinderung Arbeit. Das Bathildisheim beschäftigt dort Menschen in den Arbeitsbereichen:

  • Aktenvernichtung
  • Konfektionieren
  • Elektromontage
  • Anlagenpflege
  • Lagerlogistik
  • Telefonzentrale
  • Industriemontage- und Verpackung
  • Metallbearbeitung mit CNC-Technik

 

Die enge Verbindung zwischen Neu-Berich und dem Haus Waldfrieden ist auch nach außen sichtbar: So wurde die Straße zu den Heilpädagogischen Wohneinrichtungen als Emilie-Engelmann-Straße benannt. Noch heute erzählt man im Dorf von der Diakonisse, die in den 40er Jahren auch für die medizinische Betreuung der Neu-Bericher sorgte.

 

Auch in den Einrichtungen selbst wird die Erinnerung an die engagierte Frau gepflegt: Im Dezember 2006 wurde im Wirtschaftsgebäude das Café Mielchen eröffnet, gemeinsam betrieben von den Werkstätten und den Wohneinrichtungen. Das Café soll Begegnungsstätte für Bewohner, Beschäftigte, Freunde und Besucher sein, erklärte Bernd Itter, technischer Leiter der Bathildisheimer Werkstätten zur Eröffnung. Und es soll natürlich an Diakonisse Emilie Engelmann erinnern, die sich stets für das Wohl von Menschen mit Behinderung einsetzte.

 

Quelle: Bathildesheim Bad Arolsen
Autor dieses Textes: Bernd Schünemann